So macht ein Kleinstverleih Kino: Nordlichter 2015

Skandinavische Filme laufen hierzulande selten im Kino. Deren Filmemacher sind bei uns nahezu unbekannt. Das will Daniel Karg ändern. Mit der Filmreihe „Nordlichter 2015“ lässt er fünf nordische Leckerbissen durch die deutschen Kinos touren. Mir hat er verraten, warum er dafür zum Verleiher wird und wie schwierig das ist.

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„Der Mondfisch“ („Klumpfisken“) von Søren Balle aus Dänemark (Foto: Nordlichter Film)

„Jalla! Jalla!“, hieß es im Jahr 2000. Der schwedische Regisseur Josef Fares brachte die gleichnamige Culture Clash-Komödie unter Beteiligung einer signifikanten Zahl seiner Familienmitglieder auf die Leinwand. In Deutschland kam der Film am 7. März 2002 in die Kinos und war eher ein Geheimtipp. Erst der Nachfolger „Kops“ von 2003 lief hierzulande gut im Kino, wodurch dem einen oder anderen auch Fares‘ Name noch bekannt sein dürfte. Doch vielen anderen Filmen aus Island, Dänemark oder auch Norwegen ergeht es anders. Der schwedische „Tic Tac“ von 1997, ein exzellent erzähltes Drama unter der Regie von Daniel Alfredson, lief 1998 auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck und 1999 auf dem Filmfest Hamburg und hat nicht mal einen deutschen Verleih gefunden. Skandinavische Filme gehören hierzulande bei Verleihern zur verschmähten Kost.

Warum das so ist, weiß auch Daniel Karg nicht. Aber er will das ändern. Der Cineast aus Lehrte betreibt seit 2006 die Nordlichter-2015-Plakat-150-dpi-Final_kleinerFilmagentur „Kulturprojektor“. Hier organisiert er Abspielringe, das heißt er stellt thematische Filmreihen zusammen im Kinderkino-, Filmkunst- sowie Seniorenbereich und bringt diese dann in kommunalen Lichtspielhäusern und Programmkinos unter. „Ich sammle unter den Kinobetreibern Interessenten, die aus einer bestimmten Richtung Filme zeigen möchten. Dann organisiere ich ein identisches Filmkunstprogramm für zum Beispiel 20 bis 25 Kinos“, erläutert Karg seine Arbeit. Das Erlösmodell ist seine Allroundleistung: „Ich bekomme über die Anzahl Kinos bei den Filmverleihern Rabatt. Die Kinos bezahlen mich für ein Rundum-Glücklich-Programm, dass sie vielleicht jeden Mittwoch einen Film zum Thema XY zeigen können und von mir auch den Flyer geliefert bekommen.“ Karg kann dabei auf den Pool der regulären Arthouse-Filme zugreifen, die in Deutschland von den Verleihern zur Verfügung stehen.

Jetzt tourt seit März 2015 sein Filmprogramm namens „Nordlichter 2015“ durch deutsche Kinos. Darin enthalten sind fünf Filme, die in den letzten Jahren erfolgreich in den skandinavischen Ländern liefen, hier aber nahezu unbekannt sind. „Der Mondfisch“ („Klumpfisken“) von Søren Balle aus Dänemark, „Ich bin Dein“ („Jeg er Din“) von Iram Haq aus Norwegen, „Finnisches Blut, Schwedisches Herz“ („Finsk blod, Svenskt hjärta“) von Mika Ronkainen aus Finnland, „Paris des Nordens“ (Parìs nordusins“) von Hafsteinn Gunnar Sigurdsson aus Island sowie „Wir sind die Besten“ („Vi är bäst“) von Lukas Moodysson aus Schweden. Bis auf Moodysson, der mit „Fucking Åmål“ Furore machte, sind die Filme und deren Macher jedoch in Deutschland nicht bekannt. Das birgt Risiken für eine Veröffentlichung. Warum hat Daniel Karg das trotzdem gemacht?

Den Startschuss, der schließlich zum Nordlichter-Filmprogramm führte, war Kargs Ansinnen, seinen Arbeitsbereich zu erweitern. Schnell war ihm klar, er möchte gerne eine eigenes Filmprogramm ähnlich der Filmreihe „Cinema Italia!“ und dem Schulkinoprogramm „BritFilms“ auf die Beine stellen. Diese geografisch-kulturelle Ausrichtung hielt er für klug: „Ich habe schnell gedacht: ‚Skandinavisches Kino könnte es sein.‘ Denn, wenn wir Deutschen ‚Skandinavien‘ hören, dann spulen wir erstmal eine Menge positive Assoziationen ab.“ Den skandinavischen Film mag er nicht nur, er hält ihn auch für unterrepräsentiert.

Also rief er bei seinem Kollegen Christian Modersbach an. Modersbach ist Festival Manager der Nordischen Filmtage in Lübeck, die seit über 50 Jahren Filmen aus dem skandinavischen Raum ein Forum bieten. Im Gespräch mit Modersbach erfuhr Karg, dass es bereits fünf einzelne Kinos gab, die sich zu diesem Ziel zusammengeschlossen hatten. Das waren das Kino im Dach in Leipzig, das Koki in Pforzheim, das Metropol in Düsseldorf, das Eiszeit in Berlin sowie das Cinema in Münster. „Die Betreiber sind immer nach Lübeck gefahren und haben im Nachklapp des Festivals gleich die Filme klargemacht und bei sich im Februar und März gezeigt“, so Karg.

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„Wir sind die Besten“ („Vi är bäst“) von Lukas Moodysson aus Schweden (Foto: Nordlichter Film)

Daraufhin fuhr Daniel Karg nach Leipzig, um sich mit den fünf Kinomachern zusammenzusetzen. Dort betreibt der Initiator der Bewegung Bernhard Reuter das „Kino im Dach“. Die fünf waren von der Idee, die Reichweite der nordischen Filme zu erweitern, begeistert. Bisher hatten sie die Filmakquise nebenher gemacht und waren mit Ach und Krach auf einer schwarzen Null gelandet. Auch Karg will mit der Idee nicht reich werden, muss aber immerhin davon leben. Der Vorteil für Karg war, dass er bereits fünf garantierte Abnehmer seines Programms hatte, der Nachteil, dass das unternehmerische Risiko jetzt komplett bei ihm lag. Durch die angestrebte höhere Reichweite änderte sich jedoch einiges.

Denn bisher war diese Reichweite der Vorführungen so gering gewesen, dass sie als Festivalvorführungen liefen. Das war jetzt anders. Karg erklärt die Rechtelage: „Wenn der Film fertig ist, liegen die Rechte beim Produzenten. Der verkauft sie an den Weltvertrieb, der sich dann um die einzelnen Länder kümmern kann.“ Auch wenn es einen Vertrieb für Deutschland gibt, läuft eine Kleinstauswertung als Festivalaufführung und wird über das kulturelle Filminstitut oder die Filmförderung der jeweiligen Länder abgewickelt. Die Kosten sind vergleichsweise günstig.

Karg aber wollte eine Filmtournee organisieren, die möglichst viele Kinos und Besucher erreichen kann. Das geht nur über einen Verleih. Nicht nur, dass hier die Lizenzkosten höher sind. „Nicht alle Filme, die auf unserer Akquiseplattform, den Nordischen Filmtagen laufen, haben einen Verleih“, erklärt der Cineast die Lage. Also blieb ihm keine Wahl, für solche Filme auch als Verleiher aufzutreten. Schon während des Studiums der Politikwissenschaften und Soziologie arbeitete er beim Verleih Edition Salzgeber. Erste Erfahrungen in dieser Richtung hatte er schon, da er einige Dokumentarfilme im Eigenverleih herausbrachte. „Das ist aber allein ein Riesenaufwand“, erklärt Karg.

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„Ich bin Dein“ („Jeg er Din“) von Iram Haq aus Norwegen (Foto: Nordlichter Film)

Denn damit kommt ein Rattenschwanz an Kosten und Organisation. Die Lizenzkosten müssen mit dem Weltvertrieb ausgehandelt werden, der normale Kinolizenzpreise nimmt. Diese Lizenzen setzen sich aus zwei Teilen zusammen. Einerseits ist das die Mindestgarantie, die man immer als Lizenz zahlen muss. Ob jemand ins Kino kommt, oder nicht. Zusätzlich bekommen die Verleiher dann noch Anteile aus dem Kartenverkauf. Das ganze wird anhand einer Matrix ausgehandelt. Wie lange soll der Vertrag laufen, drei Jahre, fünf Jahre, zehn Jahre? Sind DVD-Rechte drin? Video-on-Demand und Streaming? Oder will man sogar Fernseh-Rechte haben? „Fernsehrechte zum Beispiel sind teuer. Aber sie werfen auch viel Geld ab! Denn wenn ein Sender den Film zeigen will, ZDF oder arte, dann zahlen die auch auf einen Schlag gerne mal einen fünfstelligen Betrag“, so Daniel Karg.

Doch bei den Lizenzkosten bleibt es nicht. Zum Festival wird oft nur eine englisch untertitelte Fassung geschickt. Also müssen die englischen Untertitel übersetzt und daraus eine deutsch untertitelte Fassung erstellt werden. Auf eigene Kosten synchronisieren zu lassen, wäre zu teuer. Das lohnt sich erst ab einer hohen zu erwartenden Besucheranzahl. Die fünf Kinobetreiber hatten sich zuvor aus dem Programm der Nordischen Filmtage stets Filme mit bereits existierender deutscher Untertitelung ausgesucht, um ihre Kosten niedrig zu halten. Das konnte sich Karg nicht vorstellen: „Für mich war klar, dass dadurch die Auswahl der Werke von insgesamt 160 Filmen des Festivals sehr, sehr eingeschränkt wird.“

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„Paris des Nordens“ (Parìs nordusins“) von Hafsteinn Gunnar Sigurdsson aus Island (Foto: Nordlichter Film)

Die Mindestgarantien, die Untertitelrechte, deren Herstellung, die Kopie und Flyer sowie Werbematerial – das sind alles Kosten, die Daniel Karg erstmal in Vorkasse leisten muss, bevor eine einzige Kinokarte über den Tresen gewandert ist. Bei „Harry Potter“ ist das Risiko zumindest berechenbar, bei einem unbekannten isländischen Film kann man da schon ein mulmiges Gefühl bekommen. „Ich habe jetzt erstmal ganz viel Geld ausgelegt, was dann über das Jahr eingespielt werden muss.“

Dieser Herausforderung begegnet Karg optimistisch. Die ersten Vorführungen kamen gut an. Bei der Hälfte der Kinobetreiber ist Karg überzeugt, dass sie dankbar dafür sind, dass er ihnen ein Komplettpaket bietet. Für ein attraktives Programm locken immerhin am Ende des Jahre auch Programmkinopreise. „Die ‚Nordlichter‘ sind ein Mittel, was zum Einsatz kommen kann, um eine bestimmte Zielgruppe zu befriedigen“, sagt Karg und ergänzt gleich, welche das ein kann: „OmU-Freunde und Leute, die keine Lust mehr haben auf Standardware im Programmkino. Das könnte interessant sein für Betreiber, Zuschauer bei der Stange zu halten, die sich für neue Sachen interessieren.“

Für das Programm wünscht sich Karg erstmal, dass bei den Zuschauern der skandinavische Film ein bisschen mehr ins Bewusstsein rückt. Erst auf Nachfrage ergänzt er, dass sich die Reihe natürlich auch finanziell tragen soll. Hier hängen dann viele der Erfolgsfaktoren zusammen. Wenn die Zuschauer die Reihe mögen, stimmen die Besucherzahlen, also können die Kinobetreiber Karg nicht nur die Mindestgarantie bezahlen, sondern es kommt noch mehr dabei herum. Ab Ende des Jahres gibt es noch die Option, vier der fünf Filme auf DVD herauszubringen. „Wir sind die besten“ („Vi är bäst“) hat bereits einen DVD-Vertrieb.

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„Finnisches Blut, Schwedisches Herz“ („Finsk blod, Svenskt hjärta“) von Mika Ronkainen aus Finnland (Foto: Nordlichter Film)

Hat Daniel Karg denn einen Lieblingsfilm unter den fünf Streifen? Er mag sie alle sehr gerne, aber den „Der Mondfisch“ von Søren Balle hat er besonders gerne gesehen. Karg sieht als großer Ken-Loach-Fan gerne Sozialdramen und mag an „Mondfisch“ die Darstellung der aktuell sehr prekären Situation der Fischer in Skandinavien. Wenn es nach ihm geht, wird es nächstes Jahr weiter gehen mit den „Nordlichtern“: „Ich habe da jetzt erstmal sehr viel gelernt. Trotz der Erfahrung der Arbeit zuvor war das nochmal etwas anderes, auf dem internationalen Markt Filme einzukaufen und mit englischsprachigen Verträgen zu arbeiten – das ist eine andere Dimension.“ Das Ticket für die Nordischen Filmtage im November ist jedenfalls schon reserviert.

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Eine Antwort

  1. 17. Mai 2015

    […] Indiekino.de (Berlin) Filme und Macher […]

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