Acting Cool: Die fünf Mythen jedes Schauspielschülers

Simone Terbrack (Foto: Alexey Testov)

Simone Terbrack (Foto: Alexey Testov)

Die Filmbranche ist ein Haifischbecken. Alte Hasen wissen das. Aber wie geht es denen, die gerade in eine Branche aufbrechen, die aktuell enorm im Umbruch ist? An dieser Stelle berichtet fortan in loser Folge Schauspielschülerin Simone Terbrack von ihren Erfahrungen in Ausbildung, Casting und mit anderen Gewerken.  

„Ich werde Schauspieler, berühmt und reich und muss mein Leben lang nicht mehr arbeiten!“ Als Kind ist sicherlich jeder von uns einmal mit diesem Satz auf den Lippen aufgewacht und dachte an dessen Erfüllung. Die Eltern schmunzeln nur entzückt und warten darauf, dass sich dieser Traum in ein paar Wochen verflüchtigt hat. Mittlerweile bist du ein Teenager, mitten im Schulabschluss, bist vernünftiger, aber bemerkst, dass du den Traum vom Schauspieler-Dasein immer noch in dir trägst. Also beginnt die Informationssuche im Internet. Aufnahmeprüfungen, Workshops und Co. und los gehts! Aber Halt. Das ist keine einfache Entscheidung. Deshalb gibt’s hier nochmal fünf Punkte, die so definitiv nicht eintreten werden:

1. Ich mache mein größtes Hobby zum Beruf und es macht mir mein Leben lang Spaß!

Also zuallererst – Natürlich macht es Spaß. Wir dürfen jeden Tag das machen, was wir ein Leben lang machen wollten, wir dürfen kreativ sein, in verschiedene Rollen schlüpfen, uns ausprobieren und uns selbst kennen lernen! Wir gehen jeden Tag an unsere eigenen Grenzen und bauen eine komplett eigene Welt auf. Aber genau das ist der Punkt. Mindestens ein Viertel meiner Mitschüler hat die Ausbildung nach 2 Monaten abgebrochen, weil eben nicht nur Hobby-Level und Larifari-Fleiß gefragt sind, sondern Ehrgeiz, Kritikfähigkeit – seeeehr viel Kritikfähigkeit – und Energie. Wenn du die Schauspielerei eher als Ausgleich oder Ablenkung vom Alltag siehst, dann such dir lieber eine Laientheater-Gruppe in deiner Gegend oder Volkshochschul-Improvisationsgruppen.

2. Meine Schulkollegen sind sicher genau so verrückt wie ich und wir werden ein super Team!

Vergiss es. Sie sind genauso verrückt wie du? Ja, wahrscheinlich. Aber jeder einzelne, der  an die Schule kommt, war in seinem Dorf/seiner Kleinstadt wahrscheinlich der Beste, was Schauspiel, Gesang oder allgemeine Bühnenpräsenz angeht. Und an der Schule trifft man sich und – zumindest war’s bei uns so – es beginnt spätestens nach der ersten Schulwoche das Konkurrenzdenken. Wirkliche Freundschaften sind in diesem Business ein rares Gut. Aber ein Phänomen ist mir auf jeden Fall bei mir selbst aufgefallen: Sobald man ein Jobangebot bekommen oder einen wichtigen Kontakt geknüpft hat, umschwärmen einen die „Freunde“ wie Motten das Licht.

3. Nach meiner Ausbildung bin ich fertiger Schauspieler.

Das wäre ja der absolute Oberhammer! Dann schreibt man seinen Schauspielbachelor und bewirbt sich mit dem Numerus Clausus für Rollen. Leider nein. Ich habe tatsächlich noch von keinem Schauspieler gehört, der von sich selbst als dem Maßstab aller Dinge ausgeht. Das gilt für meine Umgebung und die mir noch so ferne Hollywood-Welt. Ich denke, dass man im Laufe des Lebens gewisse Rollenprofile, für die man prädestiniert ist, fast perfektionieren kann. Aber das durch Spielpraxis! Während der Ausbildung soll die Basis gelegt werden! Diese besteht aus Szenenstudium, Stimmbildung/Gesang und Bewegung/Tanz. Selbst Kameraarbeit wird hauptsächlich durch Workshops angeboten. Bei diesem Punkt kann ich kleine Komparsenjobs empfehlen, die dir schon Einblick und Routine am Filmset geben. Fazit: Niemand ist als fertiger Schauspieler geboren und eine Ausbildung ist auch nur der Startschuss. Was du daraus machst, ist dir überlassen.

4. Wenn ich nur mal gelernt habe, wie man schauspielert, kann ich alles spielen, was ich schon immer spielen wollte!

Selbstverständlich stimmt das auch nicht. Das ist alles Typsache. Manche Schauspieler haben ein breiteres Spektrum an Spielmöglichkeiten, wie zum Beispiel den „liebenden Familienvater“ und den „gnadenlosen Mafiaboss“, bei manchen bleibt es ein Leben lang das „Mädchen von nebenan“. Aber das macht gar nichts. Für jedes dieser Rollenprofile werden gute Schaupieler gebraucht. Das Wichtigste für den Start ins Berufsleben (und das fängt natürlich schon während der Ausbildung an) ist, dass du dir deines Typs bewusst wirst. Denn – nichts lügt teilweise mehr als die eigene Selbsteinschätzung. Wie viele meiner Kolleginnen – inklusive mir – wären zum Beispiel gerne mal die toughe Tatortkommissarin? Aber, ob das breite Publikum, das nicht aus Eltern und besten Freunden besteht, uns in der Rolle akzeptiert und uns diese abkauft, ist eine andere Frage.

Wie oft dreht man bei Auditions oder Castings halb durch, weil man genau weiß: „Ich könnten den Part tausendmal besser spielen oder singen.“ Aber die andere Bewerberin passt zur Rolle wie Arsch auf Eimer und leistet akzeptable Leistung. Wer hat da wohl den Job? Manchmal spielen aber auch einfach nur sehr simple Faktoren eine Rolle: Hast du die richtige Größe, Statur, Haarfarbe oder – weiß Gott – die richtige Augenfarbe? Gefällt mir deine Aura, wenn du den Raum betrittst? Caster sind auch nur Menschen und haben subjektive Einschätzungen. Deshalb frag am Besten von Anfang an nach: Ein paar meiner Schulfreunde und ich sind zum Beispiel einfach mal mit einer Handvoll Zettel in die Hamburger Neustadt gegangen und haben fremde Leute gefragt, aufzuschreiben, wie wir wirken.. Das zeigt einem ziemlich gut, was man ausstrahlt. Und während der Ausbildung kann man dann gezielt daran arbeiten, Stärken auszubauen oder Schwächen einzugrenzen. Und dann finden sich irgendwann die für dich perfekten Rollen.

5. Als Schauspieler führe ich ein spannendes Leben voller Freiheit.

Zu diesem letzten Punkt möchte ich folgendes sagen: JA! Das Leben als Schauspieler ist wahnsinnig spannend und aufregend und wesentlich abwechslungsreicher als das von Otto-Normalverbraucher! Wenn man Glück hat, kann man manchmal sogar ein bisschen am Glamour des roten Teppichs schnuppern, lernt beeindruckende und inspirierende Persönlichkeiten kennen, reist durch ganz Deutschland, wohnt mal hier, mal da und kann sich – wie heißt es so kitschig – selbstverwirklichen.

Aber auch da gibt es eine schwarze Gegenseite. Ein Leben voller Freiheit heißt auch Einsamkeit. Wenn du eine Schauspielausbildung anfängst und vielleicht schon während dieser nebenbei ans Theater oder ans Filmset durch ganz Deutschland pendelst, weil die ersten Jobs sich angekündigt haben, dann können Außenstehende teilweise wenig damit anfangen. Dann kommen die Vorwürfe: „Nie bist du da! Was machst du eigentlich die ganze Zeit!? Du kommst ja gar nicht zur Ruhe! Und womit verdienst du dein Geld?“ Meiner Meinung und der meiner Kollegen, nach sind es tatsächlich hauptsächlich die Beziehungen außerhalb des Business’, die einen erden und einem die Sicherheit geben, weiter zu machen. Diese Zerrissenheit zwischen Unterwegs und zu Hause sein muss sich mit der Zeit einpendeln, wenn man beides, Beruf und Beziehungen, behalten möchte. Das braucht Zeit und wenn du es schaffst, Glückwunsch. Du musst wissen, dass du es bei so wichtigen Dingen nicht jedem Recht machen kannst, aber die richtigen Menschen stehen hinter dir!

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