KurzfilmKino: „Strg + Z“ von Gunnar Weber
Ein Pärchen liegt einträchtig auf dem Bett, er sinniert, sie schreibt eine Nachricht auf einem sozialen Netzwerk. Als sie kurz aufsteht, schnappt er sich ihren PC. Schlechte Idee. Es kommt zum Streit, er fliegt raus. Von da an geht es abwärts. Nicht „Bei-den-Eltern-einziehen“-Abwärts, sondern „Breaking-Bad“-Abwärts. Inklusive Ringküssen beim Mafiaboss und Erbrechen. Nicht kausal verbunden. Da fragt man sich zurecht: Wird es am Ende eine Rettung geben?
„Now that escalated quickly.“ Das ist ein beliebter Spruch auf Facebook, wenn es auf einen Post hin innerhalb weniger Kommentare ordentlich Streit gibt. Das ist in allen Belangen das Motto dieses höchst unterhaltsamen Films. Zügige Eskalation. Das alles glaubwürdig, trotz komischer Überzeichnung, in nicht mal 100 Sekunden rüber zu bringen, ist schonmal die erste Leistung des Filmteams um Regisseur Weber. Schön ist, dass das Drehbuch wie aus einem Guss wirkt, aber die gesamte Crew – laut Abspann – dran mitgewirkt hat. Zudem reiht sich „Strg + Z“ in die beispielhaften Streifen ein, die durch eine Einschränkung – hier die auf 99 Sekunden Laufzeit und 99 Stunden Produktionszeit – ganz entzückende Dinge hervorbringen. Ich kann nicht oft genug betonen, wie wichtig das sein kann. Aufmerksamen Lesern dieses Blogs wird das aufgefallen sein. Und auf den Zeiger gehen.
In die Story hineingebracht wird der Zuschauer durch eine langsame (echte) Fahrt. Ehe man der Befürchtung erliegen kann, das könnte jetzt so lahmarschig weitergehen, nimmt der Film (metaphorisch) Fahrt auf. Während die tollen Akteure, Maxi Geithner und Tim Mehlis, in einen schönen Streit ausbrechen, wechselt das visuelle Konzept organisch zur Handkamera und verbindet Anschuldigung und Replik mit gekonnten Reißschwenks. Von Geithner sieht man dann leider nur noch sehr wenig – ist der Story geschuldet – von Mehlis umso mehr. Er vermag es, auf wunderbare Weise die eskalierende Abwärtspirale in seiner Körperhaltung abzubilden. Auch die Nebenrolle des dialoglosen Viktor, der Würger ist passend besetzt und wird angemessen nur in Unschärfe oder Gegenlicht inszeniert.
Die schöne Kamerarbeit von Martin Swarovski ist ein Juwel, weiß immer genau, wann bewegte Reißschwenks, flüssige Fahrten oder exakt Komponiertes gebraucht wird. Der klasse Schnitt ist hier besonders wichtig, um Vieles von der absurden Story in den knappen 99 Sekunden unterzubringen. Cutterin Julia Jentsch verkürzt gekonnt und findet stets exakt den Punkt, in eine Szene hinein oder heraus zu gehen.
Bei Off-Kommentaren, noch dazu auktorialen Vertretern, habe ich eigentlich immer das Gefühl, es ginge auch ohne. Hier in „Strg + Z“ wird er im Zusammenspiel mit Schnitt und Timing des Hauptdarstellers dazu genutzt, extra Pointen zu setzen und führt durch die visuell komprimierte Geschichte und bringt diese zum Funktionieren. Ja, gut, hier gehört er fest zum Konzept des Films. Ich halte ja schon den Mund.
Was es allerdings mit dem Titel auf sich hat, dahinter muss jeder schon selbst kommen. Ein Tipp: Wenn Ihr es eh nicht wisst, googelt es erst hinterher. So wie ich. Der Aha-Moment ist trotzdem da, aber Ihr versaut Euch nicht die Pointe. Letztlich aber, und das macht diesen Film zu einem so schönen, runden Werk, gibt es sogar eine augenzwinkernde Botschaft, nämlich das Plädoyer für das Vertrauen untereinander! Ein Denkanstoß in der Welt von Social Media und Smartphones, der absurd kurzen Nachrichten, in die man versucht ist, alles Mögliche hinein zu interpretieren: „Klappt den Rechner zu und knutscht! Dann bleibt Euch auch Viktor, der Würger erspart.“
Fazit: Knackig und witzig inszenierter Kurzer mit Spaßgarantie!
(Vorm Zuklappen und Knutschen noch schnell den Film gucken, dauert nur 99 Sekunden. Versprochen.)
Strg + Z – Kurzfilm from Tim Mehlis on Vimeo.