Mit der Drohne in die Schlucht

Egal, ob man sie Multikopter oder Kamera-Drohne nennt: Die filmenden Flieger kommen dorthin, wo Kräne und Helikopter schlappmachen. Kameramann Lars Pfeiffer schoss mit seiner Firma Vision Airways für die ZDF-Produktionsreihe „Deutschland von oben“ Bilder an unzugänglichen Orten. Uns verriet er, was hier die Herausforderung war.

Der Multikopter bei den Dreharbeiten in der Klamm. (Foto: Christian Saure)

Leise plätschert der Fluss Breitach dahin. Die Sonne steht tief. Ihre Strahlen brechen durch die Wipfel der am Ufer stehenden Bäume. Niemandem würde man bei diesem Anblick den Gedanken an neuseeländische Fantasyfilme übel nehmen. Doch das hier ist die Breitachklamm in der Nähe von Oberstdorf. Ruhig gleitet die Kamera über das Gewässer, dreht eine Pirouette und steigt dann langsam auf. Dutzende Meter steiler Steinwände ragen links und rechts ins Bild. An der tiefsten Stelle ist die Klamm 150 Meter tief, an der engsten nur wenige Meter breit. Für einen Helikopter völlig unmöglich. Für die Drohne, an der die RED-Dragon-Kamera hängt, genau richtig.

Die Reling des Wanderweges, der durch die Klamm führt, sieht vor der imposanten Felswand fast filigran aus. Lars Pfeiffer nimmt die Hände von der Fernbedienung des Multikopters und greift über den Rand. Neben ihm steht Jan Evers. Sein Blick ist konzentriert, er steuert mit einer zweiten Fernbedienung das Fluggerät sicher in die Arme seines Kollegen. Keine zehn Sekunden später hören die Motoren auf zu surren. Die Drohne steht sicher in der Mitte des Weges. Beide wirken sichtlich erleichtert.

Pilot Jan Evers, links, und Kameramann Lars Pfeiffer beim Ölwechsel

Pilot Jan Evers, links, und Kameramann Lars Pfeiffer beim Vorbereiten ihres Kopters auf die bevorstehende Aufgabe. (Foto: Christian Saure)

Pionierarbeit

Pfeiffer war 2010 einer der Ersten in Norddeutschland, die sich mit dem professionellen Drohnenfilmen auseinandersetzten. Über die Musik kam der Kameramann zum Film, studierte erst Medientechnik an der HAW in Hamburg und drehte dann für das arte-Magazin „360 ° – Geo Reportage“. Parallel startete er mit Kollegen aus Berlin die ersten Versuche mit Multikoptern. Zu dieser Zeit beschäftigte sich der Chaos Computer Club mit der Steuerung dieser Flieger. Es gab für das Flightcontrolling einen offenen Quellcode, mit dem die Programmierer experimentierten. „Damals gab es Bausätze für Tüftler und Hobbyschrauber. Davon haben wir uns einen bestellt“, erinnert sich Lars Pfeiffer. Der Bausatz schlug schon mit rund 2000 Euro zu Buche, hinzu kamen Akkus und eine professionelle Fernbedienung. Hier war Konstruktion gefragt, Motoren und Regler mussten noch an die Platinen gelötet werden. „Heute ist das eher Plug-and-Play“, sagt Pfeiffer.

Immerhin sind die Kinderkrankheiten der Technologie mittlerweile ausgemerzt. In der Anfangsphase trat häufiger mal ein Flieger unsanft den Rückweg zum Erdboden an. Das hat sich geändert. Pfeiffer erklärt, woran das liegt: „Früher hast du das Gerät noch absolut manuell geflogen. Deswegen konnte ein Pilotenfehler auch einen Absturz nach sich ziehen. Geräteigene Sicherheitsfunktionen vereinfachen heute den Flug und machen den Einsatz weniger gefährlich.“ Eine Vielzahl von Sensoren befinden sich im Drohnenkörper, darunter auch ein Höhensensor und ein GPS-Modul. Über dieses Modul kann sich das Gerät auf einen halben Meter genau in der Luft halten. Ohne Zutun des Piloten. Auch Windböen werden so ausgeglichen. „Die Sensorik des Kopters kontrolliert die Höhe mit barometrischen Messgeräten, sodass ständiges Gasgeben nicht mehr erforderlich ist und eine konstante Höhe gehalten werden kann – optimal für Kameraflüge!“ Lars Pfeiffer betont, dass das nicht heißt, dass es gar keine Gefahren mehr gibt. Eine regelmäßige Wartung des Fluggeräts und die Einhaltung von Regeln minimieren dieses Risiko.

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Die Drohne (links oben) im Anflug auf den Wanderweg. (Foto: Christian Saure)

Pilot und Kameramann

Für LandLust TV vom NDR gab es dann die erste Anfrage für Kopter-Footage. Weiter ging es mit Fernsehmagazin- und Imagefilmprojekten, später kamen auch TV-Filme dazu. Pfeiffer arbeitete mit unterschiedlichen Kollegen in Berlin und Hamburg zusammen. Denn zum Fliegen für den Film gehören immer zwei Leute, einer, der fliegt, einer, der Kamera und Remotehead steuert. „Da ist eine gute Kommunikation zwischen Pilot und Kameramann ganz wichtig“, so Pfeiffer. „Ich muss mich in den Piloten hineindenken und das Flugverhalten beurteilen können. Der Pilot sollte wissen, welche Bewegungen gut als Kamerafahrten funktionieren.“ Schließlich fand er in Jan Evers den passenden Kompagnon. Evers ist selbst ausgebildeter Verkehrspilot. Was ist der Unterschied zum Hobbyflieger? „Der verliert nicht so schnell die Nerven und ist mit dem Luftrecht vollends vertraut“, sagt Lars Pfeiffer. Seit Anfang 2014 bilden beide ein Joint Venture unter dem Namen Vision Airways. Evers betreibt zusätzlich unter dem Namen Piloteering eine Firma zur Pilotenschulung.

Die Investitionszyklen sind kurz. Alles halbe Jahr muss an einem Kopter etwas grundlegend erneuert werden. Drei Hauptgeräte befinden sich bei Vision Airways aktuell im Einsatz. Am häufigsten kommt der DJI S1000 inklusive Zenmuse-Gimbal zum Zuge. Den gibt es in unterschiedlichen Ausführungen für konkrete Kameramodelle. Pfeiffer hat sich für die Variante entschieden, die speziell für die Canon EOS 5D Mark III entwickelt wurde. Das zweite Fluggerät ist ein selbstgebauter Heavy-Lift-Kopter. Der kann mit dem Gimbalsystem MOVI M10 auch schwere Kamerasysteme bis etwa 6 Kilogramm aufnehmen. Für kleinere Geschichten gibt es dann noch die DJI Phantom. Die wirkt neben dem Eigenbau eher wie ein Spielzeug. Pfeiffer hat auch Kameratechnik, die er mit anbieten kann. Seine eigene Mark III kommt zum Einsatz, außerdem besitzt er eine Sony PXW-FS7. Und die Action-Cam GoPro4 hebt ausschließlich mit der Phantom ab.

(Foto: Christian Saure)

Stabilisation für ruhige Flüge: Die RED Dragon 6K im MOVI-M10-Gimbalsystem. (Foto: Christian Saure)

Ab in die Klamm

Von der Colourfield Produktion wurde Vision Airways 2014 für die Kopteraufnahmen der ZDF-Reihe „Deutschland von oben“ gebucht. Die vierte Staffel aus der TerraX-Redaktion widmete sich in drei Teilen dem Motto „Stadt, Land, Fluss“.  Für den dritten Teil der Reihe, namens „Fluss“, standen Schüsse in der Partnachklamm bei Garmisch-Partenkirchen und der Breitachklamm nahe Oberstdorf auf dem Programm. „Das sind besondere Bilder, die du da machen kannst, weil es auch außergewöhnliche Motive sind.“ Sämtliche der Aufnahmen entstehen aus der Luft. Hier muss Pfeiffer besonders darauf achten, unterschiedliche Einstellungsgrößen zu nutzen und auch verschiedenen Optiken einzusetzen. Nur so kann sicher gestellt werden, dass das Material später gut montierbar ist.

(Foto: Christian Saure)

Enge Felsklüfte in der Klamm. (Foto: Christian Saure)

Auf Multikopter wird oft zurückgegriffen, wenn Kräne oder Helikopter nicht eingesetzt werden können. Helikopter sind zudem noch ein enorm hoher Kostenfaktor und dürfen nicht unter bestimmte Mindestflughöhen absinken. Über Ortschaften sind das 300 Meter. Professionelle Filmkräne gelangen knapp unter 20 Metern an das Ende ihrer Leistngsfähigkeit und sind vor allem nicht flexibel, was die Bewegung angeht. Im Falle der Schüsse in den engen Schluchten lag es auf der Hand, den Kopter zu nehmen, schlicht aufgrund dessen geringer Größe bei größter Flexibilität.

Für vier Drehtage in Herbst 2014 und Frühjahr 2015 kam das Team knapp 900 Kilometer in den Süden gereist. Darin lag auch schon die erste Herausforderung, sagt Pfeiffer: „Wir kamen an und mussten uns sehr schnell entscheiden, was wir drehen, da wir am nächsten Tag schon weiterreisen mussten.“ Auch das ZDF-Magazin hat nur ein Dokumentationsbudget, daher konnte das Team um Evers und Pfeiffer nicht vorab das Motiv besichtigen. Dennoch bereiteten sie sich gründlich vor, sahen Fotos der Orte an und sprachen mit dem Klammwart der Partnachklamm. Aufstiegsgenehmigungen waren weit vorab eingeholt worden.

Briefing: Eye Candy!

Zum Einsatz kam ein Multikopter, der selbst von den beiden Unternehmern konstruiert wurde. Zur Stabiliserung der Kamera wird dieser mit einem MOVI M10-Gimbalsystem ausgestattet. Das System eliminiert die durch den Flug und die Rotoren entstehenden Vibrationen dermaßen gut, dass eine nachträgliche Stabilisierung des Footages in der Regel nicht nötig ist. Unten am MOVI saß die RED Dragon. Die Kamera wird oft vom Auftraggeber vorgegeben, mindestens jedoch das Format des Materials, was raus kommen soll. Für „Deutschland von oben“ hieß das REDCODE RAW in Full-HD oder 2K bei 50 Bildern pro Sekunde.

(Foto: Christian Saure)

Lars Pfeiffer beim Entgegennehmen der Kameradrohne, Jan Evers steuert das Gerät. Für die Landung wurde der Weg kurzzeitig abgesperrt, um niemanden zu gefährden. (Foto: Christian Saure)

Gerade die Framerate ist wichtig. „Bei ‚Deutschland von oben‘ wollen wir Eye Candy produzieren. Das Briefing ist, keine Shutter-Effekte im Bild zu sehen, eine schöne Bewegungsauflösung“, sagt Lars Pfeiffer und fährt fort: „Es gibt keine hektischen Bewegungen, sondern ruhige Bilder, die man gut editieren kann und die ineinander finden können.“ In RAW wird dabei aufgenommen, um die größtmöglichen Optionen im Colorgrading zu haben. Aufwändige Dokumentationen, wie das TerraX-Format vom ZDF, nehmen diesen Punkt sehr ernst. Als Standard-Brennweite für das Fliegen wählte Pfeiffer eine 18er Zeiss-Optik, auf der RED und ein 24-mm-Objektiv auf der Mark III. Auf Wunsch sind auch 50 mm möglich. Doch die Optionen sind begrenzt. „Denn je ausladender die Optik ist, desto instabiler wird das ganze Fluggerät.“ Die Funkschärfe läuft dabei über die Fernbedienung des Kameramanns.

Kritische Situationen

Der Drehort jedoch hatte auch seine Tücken. Die Enge verlangte den Filmemachern viel ab. „In der Partnachklamm war einfach wenig Licht und es gab viele Felsüberhänge. Wir hatten so nicht die Möglichkeit, überall zu starten.“ So musste sich Pfeiffer bei Abflug und Landung über die Reling oder das Begrenzungsseil hinaus lehnen, um die Drohne aus der Hand starten zu lassen oder aufzufangen. Hat er bei solchen Aktionen noch ein mulmiges Gefühl? Immerhin sind es mehrere zehntausend Euro, die er dort in die Luft entlässt. „Darüber darf man nicht nachdenken. Irgendwann hat man die Routine, dass man weiß, da passiert jetzt nichts mehr, sofern ein guter Pilot am Steuer ist“, so Pfeiffer.

(Foto: Christian Saure)

Im Februar 2015 kehrten die Filmemacher für ein paar Schnee- und Eisschüsse zurück. (Foto: Christian Saure)

Vorsichtsmaßnahmen gibt es dennoch. Bei einem Dreh in der Nordsee bekam der Gimbal eine Schwimmweste an. So war gewährleistet, dass die Kamera, das teuerste und schwerste an der Veranstaltung, bei einem Absturz nicht gleich in die Tiefe rauscht. Es ging alles gut. Für solche Fälle können Gimbal-System und Kamera versichert werden, sogar für Drohnen gibt es mittlerweile Vollkaskopolicen. Bei der Produktion in der Klamm jedoch gab es einen Schreckmoment. Im Februar 2015 fiel auf den großen Heavy-Lift-Kopter mit der RED-Dragon-Kamera eine große Menge Schnee, die von der Felswand abgerutscht war. Die Drohne wurde dabei so beschädigt, dass sie nicht vor Ort repariert und so nicht wieder aufsteigen konnte. Die Filmemacher mussten auf eine kleinere Drohne umsatteln, die sie als Back-Up mit führten.

Auch die Tatsache, dass der Weg nicht dauerhaft abgesperrt werden durfte, war kritisch. Nur bei Starts und Landungen hielten die Filmemacher den Weg frei. Wenn hier etwas schief geht, können die Rotoren des Fluggeräts eine Gefahr für Pfeiffer selbst und umstehende Beobachter werden. Bis auf Felslawinen, die kurz nach einer Landung dort runtergingen, wo vor Minuten noch der teure Kopter in der Luft hing, ging alles gut. Die Produktion war hoch zufrieden mit den Aufnahmen, die mittlerweile online in der ZDF-Mediathek genießbar sind. Für Vision Airways steht als nächstes vermutlich eine Erweiterung des Fuhrparks an. Freefly-Systems, die Entwickler des MOVI, haben eine neue Drohne im Angebot. Die Freefly Alta hat die Option, die Kamera über dem Drohnenkorpus zu montieren. Darüber hinaus ist sie sehr leicht und lässt sich ohne Aufwand zusammenklappen – gut für den Transport. Pfeiffer ist schon sehr gespannt.

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