Coworking-Space FilmFabrique vernetzt Hamburger Filmemacher

Sind Filmemacher immer einsame Wölfe? Lukas Scheper und seine Mitstreiter finden dieses Bild ziemlich bescheuert. In Hamburg gründeten sie daher den ersten Coworking-Ort für Filmemacher, die FilmFabrique. Kürzlich feierte die neue Behausung Eröffnung. Ich habe mich mal umgesehen.

IMG_1299Welcher Hollywood-Blockbuster, welches Arthouse-Juwel, welcher Independent-Streifen ist jemals mit dem Spruch vermarktet worden: „Im Home Office enstanden“? Keiner. Denn für das Filmemachen braucht es mehr als den einen Filmemacher. Es braucht ein Team, Unterstützer, Austausch, nicht selten ein ganzes Studiosystem. Mit den Warner Bros. würden sich Lukas Scheper, Emanuel Tessa und Christian Wehde nun nicht vergleichen. Dabei ist auch ihr Ziel, Filme in die Welt zu bringen.

Deshalb riefen sie die FilmFabrique ins Leben, einen Ort, an dem Filmemacher gemeinsam arbeiten können, ohne dass das gleich mit hochkommerziellem Hintergrund passiert. Hier soll Hamburger Filmemachern die Chance gegeben werden, ihren Projekten nachzugehen. Ob das Brotjobs im Filmbereich oder No-Budget-Filme sind, ist dabei egal. Hier im Hamburger Oberhafen gibt es feste Plätze für dauerhafte Mieter und einen offenen Coworking-Space für flexible Mieter. Die alle unter einem Dach zusammenzubringen, ist die Idee hinter dem Projekt.

Lukas Scheper rief 2002 den hanseatischen KinoKabaret-Ableger „HamburgerKino“ ins Leben, mittlerweile ein eingetragener Verein. Einmal im Jahr treffen sich seitdem bis zu 150 Filmemacher aus allen Ecken der Welt, um gemeinsam innerhalb von acht Tagen in Hamburg über 100 Filme zu drehen. Die Idee dahinter sind nicht feste Teams und fertige Konzepte, sondern Spontaneität, Austausch und Kooperationen zwischen den Filmschaffenden. Im Zuge der Vorbereitungen zu diesem Event fiel irgendwann der Satz: „Man müsste das eigentlich das ganze Jahr lang machen.“ Als Veranstaltung ist das nicht stemmbar. Aber die Idee der dauerhaften Kooperation unter Filmern reifte.

Mit der Zeit wuchs die Erkenntnis, dass dies am besten an einem Ort funktioniert, wo man sich trifft und zusammenarbeitet. Im Hamburger Gängeviertel, einer kreativen Enklave mit Hausbesetzercharme in der Innenstadt, wurde schließlich ein Raum frei. Seit 2010 gab es dort bereits die FilmFabrique in kleiner Ausführung. Lukas Scheper erklärt, warum das so gut passte: „Wir sind ein gutes Beispiel dafür, wofür auch das Gängeviertel kämpft: Dass Künstler für wenig Miete einen Raum in der Stadt bekommen, wo Projekte realisiert werden können, die nicht unbedingt einem kommerziellen VeIMG_1318rwertungsdruck ausgeliefert sind.“ Im Sommer 2014 musste die FilmFabrique aus dem bisherigen Quartier heraus. Das Haus sollte saniert werden. Die Eigentümer boten als Ausweichort eine Etage in der Stockmeyerstraße an, auf dem Oberhafen-Gelände hinter den Deichtorhallen.

Hier war endlich Platz, um auch externen Mietern eine Chance zu geben, dazu zu stoßen. Seit dem Sommer richteten sich die Macher nach und nach ein. Erst Mitte März 2015 war jedoch Einweihung. Das hat damit zu tun, dass der Verein nicht mal eben eine große Summe investieren kann. „Wir hatten kein Eigenkapital zur Verfügung. Fast alles, was hier steht, ist gespendet oder für sehr wenig Geld aufgetrieben worden“, erläutert Scheper. Viele der Holzschränke und Tresen kommen von der Messebau- und Eventfirma Mehrblick. Schreibtische und Stühle konnten für eine symbolische Summe aus dem Lager der im letzten Sommer aufgelösten Chroma Media erworben werden. Die Renovierung wurde ebenfalls aus eigener Kraft gestemmt.

Die Netto-Preise für das Angebot sind klug aufgebaut. Die – derzeit ausgebuchten – zehn festen Büroplätze kosten 260 Euro im Monat. Hier sitzt man aktuell mit maximal zwei, drei anderen Mietern zusammen in einem Büroraum. Für alle inklusive sind WLAN, Strom, Stuhl und Tisch. Plätze im Coworking-Raum sind preislich extra niederschwellig angelegt. Für den Tag werden 7 Euro, für eine Woche 30 Euro und für einen Monat 100 Euro fällig. Hier sind zehn Plätze vorhanden, von denen aktuell im Schnitt vier belegt sind. „Wir haben uns entscheiden, das Großraumkonzept für das Coworking zu nehmen“, sagt Scheper. „Das fördert die Kommunikation und das Miteinander.“ Es stehen Schließfächer im Coworking-Raum zur Verfügung, eine Etage höher gibt es Lagerplatz für sperrigeres Equipment. Der Konferenzraum schlägt mit 75 Euro pro halbem Tag zu Buche, die Coworker haben die Möglichkeit diesen stundenweise zu buchen.

Die FilmFabrique steht Interessierten zwischen Montag und Freitag ab 9 Uhr offen. Ab 19 Uhr muss man damit rechnen, niemanden mehr anzutreffen. Warum keine 24/7-Zeiten? „Unsere Tür ist immer offen für Leute, die nur für ein paar Tage da sind“, erklärt Lukas Scheper. „Wenn jeder rein und raus spazieren kann, dann können wir nicht jederzeit für die Sicherheit dIMG_1311er Technik garantieren.“ Für Einzel- und Sonderfälle gibt es immer eine Lösung. Vor allem für Nutzer, die dauerhaft mieten oder schon länger dabei sind, ist es auch kein Problem, mal länger zu bleiben.

Synergieeffekte unter den Mietern sind gewollt und werden noch durch zusätzliche Veranstaltungen forciert. An jedem ersten Donnerstag im Monat findet das „WritersDings“ statt. Hier treffen sich Schreiberlinge zu gegenseitigem Feedback. Jeder zweite und vierte Donnerstag ist dem „Projekttreffen“ reserviert. Hier können Interessierte ihr Projekt vorstellen, Crewmitglieder suchen und Ideen pitchen. Zudem finden an den Wochenenden Workshops und Seminare statt, in denen die Mitglieder der Filmcommunity sich gegenseitig in technischen oder gestalterischen Themen weiterbilden.

Für die Zukunft sieht Scheper durchaus Potential, das Angebot auszuweiten. Ob das nun mehr Raum bedeutet oder eine feste Veranstaltungsreihe, steht noch nicht fest. Lukas Scheper sieht das realistisch: „Dafür muss sich der Ort hier erstmal etablieren.“ Wachstum um jeden Preis macht für ihn bei dem speziellen Projekt keinen Sinn. „Für uns ist dieser Vernetzungsaspekt ganz wichtig. Wir sehen einfach einen Bedarf in der Filmbranche, weil Film ein Medium ist, wo viele Leute zusammen kommen müssen, um das zu realisieren.“

Die festen Büroplätze sorgen erstmal für Sicherheit, dass es weiter gehen kann, auch, wenn der Coworking-Bereich nicht ausgebucht ist. Ende des Jahres wird der frühere Ort der FilmFabrique im Gängeviertel wieder bezugsfähig sein. Die FilmFabrique wird im Oberhafen bleiben und hofft, zusätzlich auch wieder in das Gängeviertel ziehen zu können. Aktuell laufen hierzu Verhandlungen. Jetzt stürzen sich Scheper und seine Kollegen erstmal in die Vorbereitungen des diesjährigen KinoKabarets Ende Mai/Anfang Juni. Denn ihr Ziel ist klar, den Oberhafen mit noch mehr Filmerleben zu füllen.

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