Wie der Mysteryfilm „Schattenwald“ zur Förderung kam

Mystery will keiner zeigen. Genau darum muss man es machen. Das ist die Meinung von Regisseurin Laura Thies. Ihr Thriller „Schattenwald“ begann als unabhängiges Projekt. Hier erfahrt Ihr, warum es trotzdem bayerische Förderung gab, wie Veronica Ferres dazu stieß und wieso das Ganze trotzdem ein Indieprojekt ist.

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Foto: Vreni Arbes (www.vreni-arbes.de)

„Lass uns mal sehen, wie weit wir mit Nichts kommen.“ Als Laura Thies diesen Satz sagte, hätte sie niemals gedacht, wie weit das tatsächlich sein würde. Die Regisseurin saß im Sommer 2012 mit ihrer Kollegin Josephine Ehlert im Englischen Garten in München und schmiedete Pläne. Thies war gerade aus den USA zurückgekehrt. Dort hatte sie Schauspiel, Regie und Produktion studiert und ihren Debütfilm, das Drama „Surviving Family“, gedreht. Jetzt suchte sie neue Betätigungsfelder.

Josephine Ehlert war am Münchener Theater Schauburg engagiert, wollte aber gerne mehr Fernsehen und Kino machen. Also schlossen beide einen Pakt, den Laura Thies mit den mittlerweile legendären Worten besiegelte. Ehlert hatte schon eine Stoffidee. Schnell war klar, sie würde das Buch schreiben und die Hauptrolle spielen, Laura Thies würde Regie führen. „Wir haben uns am Anfang über das Genre gar keine Gedanken gemacht“, so die Regisseurin. „Wir wussten schon, dass wir mit Ebenen spielen möchten. Bewusst geworden ist uns das mit der Mystery erst nach einem halben Jahr, als die erste Fassung fertig war.“

Während dieser Phase schrieb Ehlert fleißig, Thies reiste durch die USA und stellte ihr Erstlingswerk auf Festivals vor. Auf einem dieser Festivals nahm sie an einem Workshop über Crowdfunding teil. Begeistert kehrte die Filmemacherin nach Deutschland zurück und berichtete ihrer Autorin davon. Beide waren sich einig: „Das müssen wir machen.“ Als Plattform wählten sie Startnext. Thies war es wichtig, einen deutschen Anbieter zu wählen, um diese Art der Finanzierung hierzulande auszuprobieren.

Hier gibt’s Tipps von Laura Thies zu den „Regeln des Crowdfunding – und wie man sie bricht“!

Also bereiteten die beiden Filmemacherinnen eine umfangreiche Crowdfunding-Kampagne vor. Ihr Ziel war ambitioniert: 30.000 Euro wollten sie in knappen 30 Tagen einnehmen. Selbst das Startnext-Team kontaktierte die beiden und ließ sich versichern, dass sie das ernst meinen und keine Blauäugigkeit dahinter steckte. Davon konnte keine Rede sein. In den folgenden fünf Wochen taten die beiden Ko-Produzentinnen nichts Anderes, als die Kampagne immer bekannter zu machen. Ihr voller Einsatz lohnte sich. Nicht nur, dass Startnext ihnen, als es knapp wurde, eine Verlängerung ihres Förder-Zeitraums anbot, sie überschritten sogar ihre angestrebte Summe um 3.000 Euro.

Doch damit nicht genug. Durch die immense Pressearbeit während der Kampagne wurde Inga Pudenz, die Agentin von Veronica Ferres auf die beiden aufmerksam und wollten sich mit ihnen treffen. Beiden imponierte, was die jungen Frauen auf die Beine gestellt hatten. So sagten sie weitere 10.000 Euro zu. Später im Jahr stieg Ferres mit ihrer Firma Construction Film sogar als Ko-Produzentin ein. Das half dem Projekt beachtlich. Allerdings nicht aufgrund der Popularität der Schauspielerin.

Mit Profis zur Förderung

Die Produzenten hatten einfach viel Erfahrung mit der Branche, allen voran Ferres‘ Kollegin Nina Maag, die schon Filme wie „Die Welle“ oder „Die vierte Macht“ von Dennis Gansel produziert hatte. Die Profis bestärkten Laura Thies und Josephine Ehlert darin, sich mit dem Projekt bei der bayerischen Filmförderung  zu bewerben. „Die sagten, das Projekt sei prädestiniert dafür“, erinnert sich Laura Thies. Tatsächlich wies das Projekt einen starken Bayernbezug auf. Es wurde am Chiemsee gedreht, die Landschaft spielte eine wichtige Rolle und war reichlich im Bild. Zudem wirkten bekannte Münchner mit, wie Schauspieler Tim Bergmann oder Grimme-Preisträger Dieter Schleip, der die Musik komponierte.

Beim Filmförderfonds waren die Filmemacherinnen vorher leider schon abgeblitzt. An die einen Töpfe kam sie nicht heran, weil Thies nicht in München an den Filmschulen studiert hatte, an die anderen nicht, weil sie keine Quereinsteiger waren. Es fehlte also ein Produzent. So besann sich Laura Thies auf Bogdan Tomassini-Büchner, den sie während eines Praktikums kennengelernt hatte. Er konnte ein Produktionsstudium an der HFF in München nachweisen und sagte prompt zu. Außerdem befand er sich noch innerhalb der 5-Jahres-Frist der Förderung für Erstlingswerke.

Und tatsächlich kam es, wie die beiden Filmemacherinnen schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatten. Der FilmFernsehFonds Bayern sprach ihnen 230.000 Euro zu. Es konnte also losgehen. Einen großen Teil der Crew kannte Josephine Ehlert schon von vorherigen Produktionen, an denen sie mitgewirkt hatte. So kamen Kameramann Markus Ilschner, Tonmeister Hagen von Sayn-Wittgenstein und Cutter Artjom König mit ins Boot. Laura Thies holte Oberbeleuchter Jimmy Arnez und Produktionsleiter Jannis Stansdorf dazu. Jeder fand das Buch toll und freute sich, dass sich mal jemand an einen Mysterythriller aus Deutschland wagte.

Mysteriöser Chiemsee

Die Dreharbeiten brachten dann einiges Zittern mit sich. Denn die Filmemacher hatten die 25 Drehtage, von denen gut ein Drittel außen statfand, im Januar und Februar 2014 angesetzt. Das passte einerseits zum visuellen Stil des Films, andererseits war es eine strategische Überlegung. In diesen Monaten wird klassisch wenig gedreht, das heißt um Team und Ausrüstung konkurriert man nicht mit dutzenden anderer Produktionen. Allerdings brachte die Jahreszeit auch die Gefahr von Schnee mit sich. „Hätten wir 2015 gedreht, hätten wir echt ein Problem gehabt“, sagt Laura Thies. „Aber die Wettergötter waren auf unserer Seite.“

Für den reibungslosen Dreh trugen zwei Firmen besonders bei. Von FGV Schmidle kam das Equipment, von den Cooking Brothers das Catering. Beide machten den Filmemacherinnen einen so guten Deal, dass Thies die Unternehmen jetzt als Ko-Produzenten führt.

Gedreht wurde auf der ARRI Alexa in ARRIRAW bei einem Format von 1:2,35. Die Dreharbeiten liefen gut. Nur einmal musste Schnee geräumt werden, an einem anderen Tag fiel ein Kran aus. Die Szene konnte problemlos nachgedreht werden. Laura Thies hatte sogar Zeit für die Kür: „Mein Kameramann Mark Ilschner und ich, wir konnten alle Spielereien, die wir ausprobieren wollten auch umsetzen.“ Das war insofern zentral, da Mystery eigene Regeln hat, deren Missachtung die Zerstörung des Mysteriösen zur Folge hätte.

Auf diese Arbeit bereitete sich das kreative Team vor. Mit ihrem Kameramann schaute Thies viele Filme aus dem Genre, sie machten Moodboards und eine sehr detaillierte Auflösung. Zudem stellten sie eigene Regeln auf. Um im Film bestimmte Fakten zu verrätseln, wählten sie ganz bestimmte Kameraeinstellungen, die sie vornehmlich nutzten. Ein wichtiger Punkt, um eine mysteriöse Stimmung zu erzeugen.

Der Drehort tat dann seinen Teil dazu. Thies berichtet: „Wenn man mal an einem grauen Tag am Chiemsee war, das ist schon imponierend. Du hast diesen See und dahinter diese gewaltigen Alpen. Das ist schonmal mysteriös. Wenn dann noch Nebel auf dem See liegt, hat das schon sehr viel Atmosphäre.“ Auch das 400 Jahre alte Haus, das als Innenmotiv diente, trägt zu diesem Eindruck bei.

Verleih selbst in die Hand nehmen

Nach dem Abschluss des Drehs setzte sich Laura Thies zusammen mit ihrem Cutter Artjom König an den Schnitt. Bei früheren Projekten hatte sie bereits Erfahrung im Schnitt gesammelt und hat eine Eigenschaft, die wichtig für Regisseure ist: „Ich kann mich sehr gut von meinem eigenen Material trennen.“ Im September 2014 war die Postproduktion mit Sound, Musik und Effekten abgeschlossen.

Besonders froh ist Laura Thies, dass sie durch die Förderung in der Situation war, ihrem Team immerhin einen Teil des Honorars auszuzahlen. Wenn der Film kommerziell erfolgreich ist, kann sie dem noch etwas folgen lassen. Es sieht aktuell jedoch nicht danach aus. Ein Mysterythriller ist als Genrefilm immer noch schwere Kost für große Verleiher. Eine DVD-Veröffentlichung ist in Sicht, eine fürs Kino erstmal nicht.

Was macht also Laura Thies? Richtig. Sie nimmt es selbst in die Hand. Momentan nimmt die Filmemacherin Kontakt zu Kinos in der Region um den Chiemsee auf und stellt ihnen den Film vor. Erste Zusagen gibt es schon, das Interesse ist da. Außerdem steht das erste internationale Festival ins Haus. Das Myrtle Beach International Film Festival in South Carolina, USA, zeigt den Film Ende April. Außerdem erhielt „Schattenwald“ eine Special Mention bei den IndieFest Film Awards. Am wichtigsten ist der Regisseurin jedoch, den Film zu den Crowdfundern zu bringen. „Ich wünsche mir, dass wir deutschlandweit in allen großen Städten ein kleines Kino bekommen, Berlin, Köln, Frankfurt, Hamburg. Ich möchte den Film halt teilen und etwas zurückgeben können.“

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