Das können wir von „Kung Fury“ lernen!
Keine 24 Stunden online. Und doch lieben alle „Kung Fury“. Die schwedische 80er-Cop-Action-Komödie wurde durch Crowdfunding finanziert und ist ein herrliches Beispiel für eine Independent-Produktion. Ich habe mal ein paar Punkte zusammen getragen, was wir in Sachen Indie/Genre von „Kung Fury“ lernen können.
Es war vor fünf Jahren, ich weiß es noch sehr genau. Es hatte sich ein kleine, muntere Runde Filmliebhaber um meine audiovisuelle Abspielanlage versammelt. Gerade waren die letzten Töne von „The Voice of America’s Sons“ von John Cafferty verklungen. (Wer den Film erkannt hat, gebe damit bitte in den Kommentaren an.) Da ließ ich mich zu dem Satz hinreißen: „Ich wünschte, die würden wieder Filme in diesem 80s-Stil machen. Aber mit den heutigen VFX-Mitteln.“ Scherzhafte Zustimmung. Dann Fassungslosigkeit und Spekulationen über meinen Geisteszustand, als ich beteuere, das wirklich ernst zu meinen.
Fast Forward. Ende 2013. Im schwedischen Umeå startet der Werberegisseur und VFX-Artist David Sandberg die Kickstarter-Kampagne für ein Projekt namens „Kung Fury“. Ohne es zu wissen, wird er meinen Traum von 2010 damit erfüllen. Und den Traum von mindesten 17.713 Menschen auf der ganzen Welt, die ihn innerhalb von nur 30 Tagen finanziell unterstützen werden. Dem Projekt werden so mehr als das Dreifache der angestrebten Summe von 200.000 Dollar zugute kommen. Im Jahr zuvor hat Sandberg bereits rund 5000 Dollar in einen Trailer gesteckt. Eine gute Investition, wie sich herausstellen sollte.
Zum Zeitpunkt des Starts der Kampagne ist der Film bereits fast abgedreht. Der Grund ist einfach. Der halbstündige Cop-Movie ist nahezu komplett vor Greenscreen entstanden. Sandberg gibt an, das mit einer Canon EOS 5D gemacht zu haben. Eigentlich keine gute Idee, denn die Geräte der 5D-Reihe besitzen nur eine Farbauflösung von 4:2:0. Für einen sauberen Chroma Key, um das Grün durch einen CGI-Hintergrund zu ersetzen, sind eigentlich 4:2:2 nötig. (Die Nutzung eines RAW-Hacks durch Sandberg ist mir nicht bekannt.) Es klappte trotzdem. Aber daran wird auch klar, die Dreharbeiten sind mit kleinem Team möglich. Sandberg spielt selbst die Hauptrolle, hinzu kommt eine handvoll Rollen und eine Menge Komparsen, seien es die Cops im Background oder verheizte Nazischergen. Doch die Postproduktion wird der eigentliche Aufwand.
Die Idee ist wahrlich nicht neu, waren doch schon „Sin City“ und diverse weitere Fanprojekte auf ähnliche Weise entstanden. Doch immerhin hatte Robert Rodriguez bei der Verfilmung von Frank Millers Graphic Novel noch eine klare Vision vor Augen und etwas Budget in der Gesäßtasche. Für Sandberg und die unzähligen Nachahmer der amerikanischen Indieikone sieht die Finanzfrage anders aus. Bizarrerweise führt das oft dazu, dass die Macher ziemlich ordentlich das Maul aufreißen. Was dann später veröffentlicht wurde, war oft die SD-Card nicht wert, auf der das Material aufgezeichnet wurde. Man denke da an „Manborg“ oder ähnliche Projekte, die wirklich nur als Partytapes mit ausgedehnten Trinkspielchen funktionieren.
Doch „Kung Fury“ holte am 25. Januar 2014 erstmal 630.000 Dollar Fundingsumme nach Hause. Die Ansage war „[…] join us to create the most epic and hilarious 80s adventure this world has ever seen.“ Okay. Maul aufreißen gehört also dazu. Wenn man aber nur einem Bruchteil der aktuellen Lobpreisungen für den Film trauen darf, so scheint der Plan voll und ganz aufgegangen zu sein. Ein Indiz dafür ist, dass der 30-Minüter in der diesjährigen „Director’s Fortnight“ in Cannes seine Weltpremiere feierte. Was also hat „Kung Fury“ davon abgehalten, schlimm zu werden? Was macht ihn „Cannes“-würdig? Was lässt ihn die hohe Messlatte der Netzcommunity überspringen und hält ihn davon ab, wie so viele Filme als ärgerliches Geldversenkungsprojekt dem Vergessen anheim zu fallen?
1. Er geht sicher, dass das jemand sehen will.
Sandbergs Motivation war, einen Film zu machen, den er selbst gerne sehen würde. Dafür ist es wichtig, sich erstmal nicht darum zu scheren, ob das jemand anderen interessiert. Wenn ein Projekt jedoch viral gehen soll – das ist bei angestrebten 200.000 Dollar nötig – muss ich eine breite Basis onlineaffiner Leute finden, die das auch geil finden. Er biedert sich nicht an, aber er hat sich ein paar Gedanken gemacht, wer diese Gruppe sein könnte und wo er sie findet.
2. Er nimmt das Genre ernst.
Es ist einfach etwas zu parodieren. Die besten Satiren waren jedoch gleichzeitig auch hervorragende Vertreter des Genres, das sie auf die Schippe nahmen. „Starship Troopers“ ist so ein (gefährlich-)gutes Stück Kino, in jüngster Vergangenheit schwang sich „The Cabin in the woods“ zu ähnlichen Höhen auf. „Kung Fury“ ist ein Genremix – darin liegt schon die erste Brechung – aus Martial-Arts, Action, Cop-Movie und Zeitreisefilm. Und was war die größte Regel im Zeitreisefilm der 80er Jahre? Richtig: „Scheiß auf Logik.“ Ach ja, sein Genre ernst zu nehmen heißt auch, einen entsprechend angemessenen Soundtrack zu bieten. Die Synthiepop-Sinfonien von Mitch Murder sowie Lost Years passen da wie die Faust aufs Auge.
3. Er lässt sich nicht von blöden Ideen abbringen.
Ein wild um sich ballernder Arcade-Automat? Games, in denen man aus dem Hubschrauber Einhörner erschießt? Wikingertussis, die auf einem Tyrannosaurus Rex durch die Gegend reiten? Hier wird alles reingequetscht, was geht und was Spaß macht. Auch eine Reminiszenz an das elend-legendäre VHS-Tape gibt es, samt simuliertem Bildausfall aufgrund des Schicksals dutzendfacher Kopien. Diesen Bildausfall für Zeit- und Ortsprünge zu nutzen, ist wiederum eine höchst brillante Idee. Und dass Thor, der Donnergott, im Kampf gegen Hitler hilft, ist ja wohl vollkommen logisch.
4. Er übernimmt sich nicht.
Die Produzenten von „Kung Fury“ machten nicht den Fehler, die Story unerträglich aufzublasen. „20+ Minuten“ war die Ansage Ende 2013. 30 Minuten sind es schließlich geworden. Erst bei einer Million erreichten Dollar hätte Sandberg das Teil auf einen Langfilm ungeschrieben. So blieb es ein ambitioniertes, aber überschaubares Kurzfilmprojekt. Und wer weiß, was der aktuelle Ruhm ihm (und uns) noch bringt?
5. Er weiß, worauf er sich einlässt.
Sandberg hatte ein paar Werbeclips und Musikvideos gedreht. Aber vor allem kommt er aus der VFX-Ecke. Das heißt, er weiß genau, welche seiner „blöden Ideen“ am Rechner umsetzbar sind (und noch gut aussehen). Ebenso kann er einschätzen, wie viele Mann-Stunden das benötigt. Das bewahrte ihn vor ständigen Verzögerungen in der Fertigstellung. Und er weiß auch, wie er einen Film mit dieser Produktionsweise visuell zum Funktionieren bringt. Was er mit VFX nicht perfekt hinkriegt, lässt er entweder sein oder überhöht es comichaft. In diesem Fall machte er diese Umsetzung gleich zur Prämisse für den Stil des ganzen Films. Und war auf Nummer sicher.
6. Der Film wird frei distributiert!
„Kung Fury“ hatte gestern seine Netzpremiere. Natürlich gibt es für die Crowdfunding-Backer 1A Downloads in HD sowie DVDs und Blu-rays. Und für den Rest gibt es ein absolut respektables YouTube-Video. Sofort. Überall auf der Welt. Keine Diskussion. Und es scheint Nachfrage zu geben. Der Film hat auf besagter Plattform mittlerweile (Stand Freitag, 23. Mai 16:07 Uhr) die 2 Millionen Views-Marke geknackt.
7. Er holt David Hasselhoff.
Think big. „Wer würde als Zugpferd für die Netzkampagne passen?“ – „Ein internationaler Star, der einen Song singt?“ – „Ja, schön. An wen dachtest Du?“ – „David Fucking Hasselhoff.“
Sicher gab es noch weitere Punkte, die David Sandberg nutzten. Dass er von Anfang auf die internationale Community abzielt, ist für ein Projekt dieser Größenordnung klar. Auch das Drehen auf Englisch, inklusive nötiger Nachsynchronisation ist dann obligatorisch. Und nicht zuletzt spielte dem Schweden in die Hand, dass er in manchen Szenen – verdammte Axt – aussieht, wie der junge Johnny Depp in „21 Jump Street“.
Ein deutsches Vorhaben, was das Potential hat, Ähnliches zu leisten, ist das Dark-Fantasy-Projekt „The Dreamlands“ von Huan Vu. Vu holte über ein IndieGoGo-Crowdfunding bereits 48.000 Euro rein, hält jedoch auch die Möglichkeit eines handfesten Investments bereit. Sicher gibt es Unterschiede. So ist das Genre sicher ein völlig anderes. Zudem soll es ein Langfilm werden, denn Vu plant eine filmischen Adaption des Traumlande-Zyklus von H.P.Lovecraft. Doch auch er weiß, worauf er sich einlässt. So drehte er bereits „Die Farbe“ nach der als unverfilmbar geltenden Lovecraft-Novelle „The Colour from Outer Space“ und hat reichlich VFX-Erfahrung. Auch er zielt auf eine internationale Community ab, auch er geht äußerst bedacht und planvoll vor. Vor kurzem erhielt der Ludwigsburger Drehbuchförderung von der baden-württembergischen Filmförderung MFG. Für ein Genre Format wie „The Dreamlands“ höchst bemerkenswert. Hier bin ich sehr gespannt, wie es weiter geht.
Am Ende kann man einen dicken Strich unter „Kung Fury“ ziehen und als Lehre daraus mitnehmen: Einfach machen! Gute Ideen finden meist auch kompetente Mitstreiter, die sie unterstützen. Und am Ende ist ein Film eh mehr als die Summe seiner Teile. Das gilt definitiv auch bei David Sandbergs „Kung Fury“.
- Webseite von „Kung Fury“: www.kungfury.com
- Die Kickstarter-Kampagne von „Kung Fury“
- „Kung Fury“ in Cannes: www.quinzaine-realisateurs.com
- „Kung Fury“ auf Facebook: www.facebook.com/KungFuryOfficial
- Produktionsfirma „Laser Unicorns“ auf Facebook: www.facebook.com/laserunicorns
- Das Musikvideo „True Survivor“ von David Hasselhoff: www.tape.tv
- Wer ihn noch nicht gesehen hat, viel Spaß: