Die Kurzfilme der Genrenale3 – Die Block-1-Review
Am 11. und 12. Februar 2015 ging die dritte Genrenale im Berliner Babylon-Kino über die Bühne. In den kommenden Wochen werde ich mich stets Mittwochs den 27 Kurzfilmen des Festivals in den sechs Blöcken widmen, in denen sie aufgeführt wurden. Heute macht der 11-Uhr-Block vom 11.02. den Anfang.
Der erste Kurzfilm-Block der Genrenale bot gleich einen schönen Schnitt (Haha!) durch verschiedenste Genres. Splatter, Film Noir, Sci-Fi-Action, Rache-Roadmovie und Mystery-Horror. Hier zeigte sich schon zu Beginn, dass Krystof Zlatnik einen guten Job gemacht hat, was die Zusammenstellung der einzelnen Blöcke anging. Außerdem ließ sich hier bereits ein hohes Niveau ablesen, dass sich in den noch folgenden fünf Blöcke fortsetzen sollte. Aber ich greife vor. Los geht’s:
In „Gummifaust“ von Marco Steck rastet ein Theaterkritiker während einer modernen „Faust“-Inszenierung aus. Schon der Vorspann macht klar, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Kurzfilm von der HFF München handelt. Die grelle 8-bit-Musik und die bis zur Unleserlichkeit verspielten Titel des 9-Minüters greifen darauf vor, dass hier Altes auf Neues treffen und das nicht ganz gut gehen wird. Sehr schön wird hier mit Erwartungen und Klischees gespielt, der Wechsel ins Splattergenre ist unerwartet und geht mit einem Wechsel in die Wackelkamera des Reality TV einher.
Schauspieler Butz Buse holte für seine Darstellung des durchdrehenden Theaterkritikers die Genrenale Auszeichnung der männlichen „Killer Performance“. Überraschender, sehr passender Einstieg ins Festival. Wo auch Altes auf Neues treffen wird, was aber sehr gut gehen wird.
Im nun folgenden „Nachtfalter“ von Andre Funk und Dominik Moos geht nicht alles gut. Ein Kommissar sieht sich bei der Jagd nach einem Serienmörder plötzlich einem schrecklichen Verdacht ausgesetzt. Funk und Moos haben ihre Geschichte augenscheinlich im visuellen Kosmos von Robert Rodriguez‘ „Sin City“-Verfilmungen angesiedelt. Allerdings ist ihr Film in Farbe, was erstaunlich gut funktioniert. Die ikonischen, stilisierten Money-Shots sind schön gemacht und nicht wahllos platziert, sondern werden dramaturgisch durchdacht eingesetzt.
Aha. Da haben nicht zwei Typen einfach Rodriguez kopiert, sondern ihren Kopf angeschaltet. Schön. Aber bei allem, was der Film richtig macht, irgendwie will er mich dennoch nicht so recht mitreißen. Vielleicht liegt’s daran, dass die Story recht straight ist und es dem Film mit seinen 19 Minuten gut getan hätte, ein paar Minuten kürzer zu sein.
Da kommt „Hard Boiled Cop“ von Ulrik Bruchholz mit 7 Minuten schon knackiger daher. In einer dystopischen Welt zieht ein einsamer Rächer umher und kämpft gegen das Verbrechen. Ursprünglich war der 7-Minüter als Langfilm geplant. So fehlt dann zwar ein nennenswerter Plot. Die Vertuschung dieser Tatsache ist Bruchholz aber außerordentlich gut gelungen. Durch präzise Wahl der Locations und schöne, schmutzige Mattepaintings, die stets nur kurz zu sehen sind, gelingt es ihm, ein stimmiges Bild der kaputten Welt zu zeichnen. Bei Sci-Fi unabdingbar. Der Einsatz eines Noir-mäßigen Off-Kommentars, der diese Welt ein bisschen erklärt, hätte für mich nicht sein müssen, trägt aber positiv zur Atmosphäre bei.
Die wahre Stärke des Films aber ist die zentrale Kampfszene. Es ist eine Sache, wenn man Schauspieler und Stuntleute hat, die sich nicht schonen und bereit sind auch komplexe Kampfchoreografien zu erlernen. Aber es ist eine völlig andere, das auch auf der Leinwand gut aussehen zu lassen. Bruchholz Auflösung in den Kampfszenen ist präzise, das Timing perfekt. Die oft am Set zerstückelten Kampfsequenzen fügen sich nahtlos ineinander, das macht richtig Spaß! Wohltuend ist hier die heroische Überzeichnung des Helden durch Schauspieler Mathis Landwehr, wodurch dem ungezügelten Testosteron ein wenig Ironie gegenübergestellt wird.
Auch in „Trip“ von Armin Riedel werden klassische Genreregeln abgefeiert. Hier geht es um Dan, der seine Karriere als Drogenkurier an den Nagel hängt. Das passt seinem Boss gar nicht, was Dan wiederum zu einem Rachefeldzug animiert. Die in ein Roadmovie eingebettete Rachestory atmet in jeder Einstellung Schmutz und Benzin. Da sitzt jede untersichtige Einstellung auf den dahinknatternden, mattschwarzen Dodge, nach Schlägereien sehen Leute auch so aus, als seien sie in einer gewesen und im Zentrum steht ein wortkarger Held, der vermutlich noch nie mit einem Nebensatz in Kontakt gekommen ist.
„Trip“ verhehlt zu keinem Zeitpunkt, dass er im brandenburgischen Wald gedreht wurde, wirkt allerdings keineswegs provinziell und holt so erfolgreich das Grindhouse-Feeling vor die heimische Haustür. Er gehört sicher nicht zu den eigenständig-originellen Festivalfilmen auf der diesjährigen Genrenale. Doch hierzulande eine Rachestory glaubwürdig rüber zu bringen, ist schon was Besonderes.
Wenn man viel Aufwand betreibt, um einen vergleichsweise langen Film zu drehen, dann muss etwas dabei herumkommen. In dieser Hinsicht ist „Schwarzberg“ von Bernhard C. Riegler sehr schade. Die Idee der Geschichte eines Pärchens, das sich in einer entfernten Bergregion verläuft und einiges an Konfliktpotential mit sich herumträgt, ist nämlich gut. Auch sind die Figuren entsprechend gegensätzlich angelegt und zu Anfang wird die Informationsvergabe sehr schön gelöst. Beide starten unter gänzlich anderen Vorzeichen auf den Trip, nur der Zuschauer kennt beide Hintergründe, die er häppchenweise erfährt. Vorbildliches Set-Up.
Zusammen mit den Andeutungen um den mysteriösen Berg hätte das ein schönes Psychospiel mit langsamer Eskalation werden können. Doch diese kommt meines Erachtens nicht glaubwürdig rüber. Zu lang wird das Umherirren ausgewalzt, zu spät dem Mysteriösen ein Gesicht verliehen. Dem meiner Ansicht nach schwächsten Beitrag in diesem Block mangelt es vor allem im wichtigen dritten Akt an einer stimmigen Inszenierung. Die Darsteller sind gut und die Kameraarbeit klasse – besonders die Bilder der bizarrer werdenden Bergwelt reißen ein bisschen raus. Das kann jedoch nicht drüber hinweg täuschen, dass das Ziel nicht erreicht wurde. Womit der Film immerhin das Schicksal seiner Protagonisten teilt.
Wenn ich so auf den ersten Block 2015 zurückblicke, ist das eine erstaunliche Entwicklung zur Genrenale 2014. Selbst die Kritik an „Nachtfalter“ und „Schwarzberg“ ist da schon Nörgeln auf hohem Niveau. Nächsten Mittwoch geht es weiter!
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